DIE UNSICHTBARE*

Die Welt scheint fast nur von Männern geprägt zu sein. Der Eindruck kommt nicht nur in Geschichtsbüchern auf, sondern auch im Stadtbild – fast alle Personendenkmäler im öffentlichen Raum sind männlich, so auch im Nürnberger Stadtgebiet. Dabei wurden die Stadt- und Nationalgeschichten, wie eben auch die Nürnberger Stadtgeschichte, natürlich ebenso durch starke Frauen* geprägt! Frauen* sind und waren handelnde Subjekte. Nur bleiben diese meist unerinnert und unsichtbar.

Gesellschaftsordnungen beziehen sich auf Traditionen - Gleichstellung und Emanzipation müssen daher auch mit einem weiblicheren, feministischen und queeren Blick auf Geschichte und Geschichtsvermittlung einhergehen. Hier setzt DIE UNSICHTBARE* an: Mit einem dokumentarischen und zugleich informiert-intervenierenden Blick auf Personendenkmäler.

Mit dem Projekt soll ein stadtgesellschaftlicher Diskurs über Diversität in der Erinnerungslandschaft angestoßen werden. Es will konkret 20 weibliche* Personen erinnern, die stellvertretend für die UNSICHTBAREN* Frauen* der (lokalen) Geschichte stehen und zugleich auf die Leerstellen hinweisen, die durch die androzentristische (den Mann ins Zentrum des Denkens stellende Anschauung) Geschichtsvermittlung entstanden ist. DIE UNSICHTBARE* macht sichtbar, dass etwas fehlt und zugleich einige derjenigen sichtbar, die fehlen.

Die Ausstellung findet nicht, wie ursprünglich angedacht, im Z-Bau, sondern im öffentlichen Raum statt. Auf 20 Plakatflächen der Stadtreklame in der Altstadt und dem Gebiet des inneren Rings.

Kunigunde Niklasin

* unbekannt;
† 1457

Nonne, Buchmeisterin und Schreiberin im Dominikanerinnenkloster St. Katharina

Dorothea Landauerin

* um 1480 in Nürnberg;
† 29. November 1529

selbstbewusste Nürnbergerin der Oberschicht, der eine erfolgreiche Scheidung von ihrem gewalttätigen Mann gelang

Catharina Regina von Greiffenberg

*07.09.1633, Amstetten/Österreich;
† 10 April 1694 in Nürnberg

eine der bedeutendsten Dichterinnen der Barockzeit

DR. EMMY NOETHER

* 23. März 1882 in Erlangen;
† 14. April 1935 in Bryn Mawr, Pennsylvania

bedeutendste Mathematikerin, Begründerin der modernen Algebra

Else Dormitzer

* 17. November 1877 in Nürnberg;
† 3. Juni 1958 in London

Journalistin und Kinderbuchautorin, 1. weibl. Vorstand im Centralverein dt. Staatsbürger jüd. Glaubens, Holocaust-Überlebende

Dr. Dr. Bertha Kipfmüller

*28. Februar 1861 in Pappenheim;
† 3. März 1948 ebenda

radikale Frauenrechtlerin der bürgerlichen Frauenbewegung, erste professionelle Lehrerin Mittelfrankens, erste promovierte Frau in Bayern, Pazifistin im Ersten Weltkrieg, mit 68 Jahren 2. Promotion

ÀGNES Rózsa

* 17. Oktober 1910 in Nagyvárd (heute Oradea);
† 30. Juli 1984 in Kolozsvár

als KZ-Gefangene: Zwangsarbeit bei Siemens-Schuckert, Holocaust-Überlebende, Lehrerin und Schriftstellerin

Caritas Pirckheimer

* 21. März 1467 in Eichstätt;
† 19. August 1532 in Nürnberg

humanistische Äbtissin

Fatmeh

* um 1675 in Modon (heute Griechenland);
† Altdorf (kurz nach ihrer Taufe)

Die mehrsprachige junge Frau wurde in den sog. „Osmanenkriegen“ nach Deutschland verschleppt

Maria Sibylla Merian

*2. April 1647 in Frankfurt am Main;
† 13. Januar 1717 in Amsterdam

Naturwissenschaftlerin, Insektenforscherin, Künstlerin

Emilie Lehmus

* 30. August 1841 in Fürth;
† 17. Oktober 1932 in Gräfenberg

erste niedergelassene Ärztin in Deutschland, Gründerin der ersten Polyklinik für Ärztinnen

Emma Ullmann

* 1884 in Schnaittach;
† 1938 in Nürnberg

Kauffrau, Mitglied im Vorstand der israelit. Kultusgemeinde, Mordopfer der Nazis in der Reichspogromnacht

Dr. Julie Meyer

* 15. Januar 1897 in Nürnberg;
† 18. August 1970 in New York

Soziologin, Politikerin und Mitherausgeberin der Zeitschrift Echo der jungen Demokratie der Deutschen

Kunigunde Schwab

* 3. Juli 1910 in Nürnberg;
† 10. Januar 1997 ebenda

kommunistische Widerstandskämpferin im NS, als Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Bayern erreichte sie 1946 die Einfügung des Satzes: „Männer und Frauen erhalten für gleiche Arbeit den gleichen Lohn“

Agnes Dürer

* um 1475 in Nürnberg;
† 28. Dezember 1539 ebenda

Meisterfrau, Kunsthändlerin, verheiratet mit Albrecht Dürer

Anastasius Lagrantius Rosenstengel

* 1687 in Gehofen;
† 8. November 1721 in Halberstadt

wechselte ihre Geschlechtsidentität durch eine „Taufe“ in Nürnberg und heiratete eine Frau

Friederike Caroline Neuber

* 9. März 1697 in Reichenbach im Vogtland;
† 30. November 1760 in Laubegast

Schauspielerin (auch in Männerrollen), Dramatikerin, Theaterprinzipalin, Reformerin des deutschen Theaters

Elise Hopf

* 1865 in Nürnberg;
† 1936 ebenda

wichtige Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung, Einsatz für Modernisierung der Wohlfahrtspflege, Mitbegründerin des Landesverbandes Bayerischer Hausfrauenvereine

Lee Miller

* 23. April 1907 in Poughkeepsie, New York, USA;
† 21. Juli 1977 in Chiddingly, East Sussex, England

Fotomodell, Fotografin, Fotojournalistin, Kriegsfotografin im Zweiten Weltkrieg

Berta Backoff

* um 1911 in Nürnberg;
† 2001 verstorben auf einer Reise in Hanoi, Vietnam

kommunistische Widerstands- kämpferin im Nationalsozialismus Antikapitalistin

BEGLEITPROGRAMM

Begleitend zur Ausstellung „Die Unsichtbare*“ finden eine Reihe von Veranstaltungen statt, u. a. werden zwei geleitete Themenführungen mit der Historikerin Nadja Bennewitz und in Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg ein Workshop für interessierte Gruppen und Einzelpersonen angeboten.

Den Auftakt bildet am Eröffnungsabend eine Podiumsdiskussion, bei der geladene Refert*innen über ein gemeinsames Thema diskutieren werden, nämlich über die Verankerung von Frauengeschichte und von genderqueeren Personen im öffentlichen Raum.

Ab 19:30 Uhr Eröffnungsfeier zur Ausstellung "Die Unsichtbare*"informellen Get-together

Ab 20:00 Uhr Beginn der Podiumsdiskussion

Thema der Podiumsdiskussion: Die Verankerung von Frauengeschichte im öffentlichen Raum sichtbar machen in der Stadt. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen: Wie weiblich ist die Stadt? Wo sind die Denkmäler für die Heldinnen und Frauen* aus aller Welt in Nürnberg? Was könnten zeitgenössische Formen für Personendenkmäler sein? Geladene Referent*innen: Frau Hedwig Schouten (Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte der Stadt Nürnberg), Frau Nadja Bennewitz (Historikerin M.A.; Wiss. Angestellte am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der FAU Erlangen-Nürnberg) und Frau Birgit Heidtk (Historikerin mit dem Schwerpunkt auf Frauen- und Geschlechtergeschichte).

Ab ca 21:30 Uhr Enstpannter Ausklang mit Musik/DJ-ing

Zusätzlicher Hinweis: Bitte gebt bei der Anmeldung unbedingt Euren 3G-Status mit an!

Dieses Veranstaltung wird gefördert durch: Kurt-Eisner-Verein/ Rosa-Luxemburg-Stiftung Bayern sowie durch die Stadt Nürnberg/ Bürgermeisterin/ Geschäftsbereich Kultur und findet in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung statt.

Die Unsichtbare* I

Ein Spaziergang wider die Leerstellen in der Nürnberger Erinnerungslandschaft

Große, weiße Männer auf hohen Sockeln, gewichtige Inschrifttafeln, mit denen ihrer gedacht wird – sind das die historischen Helden, auf die sich die gegenwärtige Gesellschaft beziehen möchte? Wie könnte die Stadt als feministische und queere Erinnerungslandschaft aussehen?

Statt den in 25 Metern Höhe thronenden „Eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck zu würdigen, wäre es Zeit, sich der queeren Geschichte von Catharina Margaretha Linck zu nähern. Unter dem Namen Anastasius Lagrantinus Rosenstengel führte sie ein Leben als Mann und verliebte sich in Catharina Margaretha Mühlhahn, die beiden heirateten – und das alles im 18. Jahrhundert!

Die Unsichtbare* will in das männlich besetzte Stadtgebiet durch feministische Intervention eingreifen. Bei einem Spaziergang erfolgt ein Perspektivwechsel, bei dem das Fehlen der Frauen* sichtbar gemacht und dies kritisch zur Diskussion gestellt wird.

Termin: Sa, 2.10., 15.00 Uhr

Treffpunkt: Ulman-Stromer-Weg an der Pegnitz, unterhalb des Bismarckdenkmals am Prinzregentenufer, 90489 Nürnberg

Dauer: ca. 1,5h bis 2h

Die Teilnahme an dieser öffentlichen Führung ist kostenlos. Aufgrund der aktuellen Situation ist auch hier eine Voranmeldung per E-Mail erforderlich

Die Unsichtbare* II

Ein Spaziergang zu queer-feministischen Erinnerungsorten und solchen, die es noch werden könnten

Eine humanistische Äbtissin, die Katholiken wie Feministinnen für sich beanspruchen und eine verpasste Chance, eine Straße nach Dr. Julie Meyer zu benennen, nach dieser wichtigen Protagonistin im jüdischen Abwehrkampf gegen Nazis: Das sind einige Geschichten, die das kulturelle Gedächtnis der Stadt ausmachen (könnten).

Der Magnus-Hirschfeld-Platz bildet hier eine wohltuende Ausnahme: Hier wird der verfolgten homosexuellen Männer gedacht und die queere Ikone Nürnbergs, Stadträtin Uschi Unsinn, sorgte mit anderen dafür, dass auch an die lesbischen Frauen erinnert wird.

Die Unsichtbare* will in das männlich besetzte Stadtgebiet durch feministische Intervention eingreifen. Bei einem Spaziergang erfolgt ein Perspektivwechsel, bei dem das Fehlen der Frauen* sichtbar gemacht und dies kritisch zur Diskussion gestellt wird.

Termin: Fr, 8.10., 17.00 Uhr

Treffpunkt: Klarakirche, Königstr. 64, 90402 Nürnberg

Dauer: ca. 1,5h bis 2h

Die Teilnahme an dieser öffentlichen Führung ist kostenlos. Aufgrund der aktuellen Situation ist auch hier eine Voranmeldung per E-Mail erforderlich

Finissage im 500 Jähriges Fachwerkhaus/ Fläche ist ca. 60 qm Auf 20 Plakatwände der Stadtreklame wurde Die Unsichtbare* vom 1. Oktober bis 22. Oktober 2021 in Nürnberg gezeigt. Vom 21. Oktober bis zum 22. Oktober 2021 wird die Ausstellung auf Grund der Corona-Bestimmungen nur mit einer kleinen Finissage beendet.

Wir laden Sie ein an den letzten beiden Tagen der Ausstellung in Nürnberg die einmalige Gelegenheit wahrzunehmen sich alle erarbeitet Motive in den historischen Räumlichkeiten von BOGI NAGY GALERIE&ATELIER, Schlehengasse 15, 90402 Nürberg (www. boginagy.com/galerie-atelier), anzusehen und noch einmal den Spuren der 20 außergewöhnlichen Frau*en zu folgen.

Ablauf- und Zeitplan: Do 21.10.2021, 18.30 Uhr– 22.00 Uhr

18.30 Uhr–19.00 Uhr: Einlass und Möglichkeit zum ersten Ausstellungsrundgang

19.10 Uhr–19.20 Uhr: Grußworte

19.40 Uhr – 20.00 Uhr: Möglichkeit zum zweiten Ausstellungsrundgang

Besichtigung der Ausstellung möglich von 18.30 - 22.00 Uhr Die Veranstaltungsteilnahme ist auf Grund der Corona-Regeln der Stadt Nürnberg auf 25 Personen limitiert. Getränke können leider auch auf Grund dieser Regeln nicht angeboten werden. Privat darf gerne eine Getränkeflasche mitgeführt werden

„Die Sichtbaren – Mit-Mach-Denkmal“

Workshop und Performance zum Thema Diversität in der Erinnerungslandschaft

Die Welt scheint fast nur von Männern geprägt zu sein. Fast alle Personendenkmäler im öffentlichen Raum sind männlich, so auch im Nürnberger Stadtgebiet. Das Projekt "Die Unsichtbare" hat einen stadtgesellschaftlichen Diskurs über Diversität in der Erinnerungslandschaft angestoßen: 20 großformatige Fotografien historischer weiblicher Persönlichkeiten zierten drei Wochen lang das Nürnberger Stadtbild. Zum Abschluss dieser Ausstellung laden wir 20 zeitgenössische Mädchen und Frauen* ein, öffentlich sichtbar zu werden und selbst einmal Denkmal zu sein: „Mit-Mach-Denkmal“. Im Workshop findest Du unter professioneller Anleitung spielerisch Antworten auf die Fragen: Was macht Dich eigentlich (jetzt schon!) erinnerungs- und denkmalwürdig? Wie und in welcher Form möchtest Du erinnert werden? Wofür stehst Du? Wie sieht Dein Denkmal aus? Oder: Welcher Frau* würdest Du gerne ein Denkmal setzen? Warum? Und wie würdest Du dieses Denkmal darstellen? Wir laden Dich ein, „Denkmal“ einmal ganz anders zu denken: Bunt? Bewegt? Lebendig? Deiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

„Die Sichtbaren - Mit-Mach-Denkmal“ ist ein Mut-Mach-Workshop, der ab 15 Uhr in eine abschließende öffentliche Performance mündet: Sei Dein Denkmal! Mach Dich sichtbar – werde gesehen – halte es aus in der Öffentlichkeit zu stehen – und lass Dich feiern! Eine Photographin wird Dein besonderes Denkmal für die Ewigkeit festgehalten. Ein kleines Buch entsteht, damit Du als Frau*, als Mensch, erinnerbar bleibst.

Datum und Uhrzeit: Sonntag, der 24.10.2021 Workshop: 13.00 bis ca. 15.00 Uhr / Öffentliche Performance: 15.00 Uhr – max. 17.00 Uhr (bei gutem Wetter außen)

Ort: Gluck-Saal (Foyer Oper) / Wiese (vor dem Staatstheater) / Staatstheater Nürnberg

TN: max. 20 Frauen*, kostenfrei

Konzeption und Workshopleitung: Tina Geißinger, Regisseurin, Gestalttherapeutin. Coach Angesprochenes Publikum/Zielgruppen: junge Mädchen/Frauen*, Migrant*innen, BI_PoC Jugendliche, Queers, Trans*-, Inter* und Nonbinary

Gefördert von der Rosa Luxemburg Stiftung und dem Kurt Eisner Verein sowie durch die Stadt Nürnberg/ Bürgermeisterin/ Geschäftsbereich Kultur .

Anmeldung unter: anja.sparberg@staatstheater-nuernberg.de

Kunigunde Niklasin

X

Als Begründerin der Schreibschule des Dominikanerinnenklosters St. Katharina in Nürnberg bist du in die Annalen des Konventes eingegangen. Die Klosterbibliothek hat mit dir ihre Blütezeit erlebt und konnte sich unter deiner Ägide im 15. Jhd. zu einem Zentrum der religiösen Literatur im deutschen Sprachraum entwickeln. Nun entstand der größte Teil der Bücher durch eure Arbeit im Skriptorium, der Schreibstube. Hier herrschten strenge Vorschriften, so durftet ihr nicht sprechen, um Schreibfehler durch Unterbrechungen zu vermeiden. An die zehn Schreiberinnen waren am Abfassen eines Buches beteiligt, ein Buch war also immer eine Gemeinschaftsarbeit. Du selbst warst eine der bedeutendsten Schreiberinnen des Konventes, hast 31 Bücher mit deiner Hand geschrieben und die anderen Nonnen hierbei angeleitet. Eure Bücher bestanden aus Lagen gefalteter Blätter Pergaments oder Papier, die ihr beidseitig beschrieben und zwischen zwei Holzdeckeln eingebunden habt. Einige sind von euch kunstvoll illuminiert worden, was Aufgabe der Buchmalerinnen war.

Als Buchmeisterin hast du in den Jahren 1451 - 1457 ein Verzeichnis aller Handschriften angelegt. Glücklicherweise hast du nicht nur die Titel der Bücher aufgezeichnet, sondern auch den Namen der Buchbesitzerin und der Schreiberin. Dadurch kennen wir aus deinem Kloster so viele Schreiberinnen namentlich, wie aus fast keinem anderen Frauenkonvent. Bei der Auflösung des Klosters im Zuge der Reformation umfasste eure Bibliothek rund 500 Bände und war damit eine der größten Klosterbibliotheken der Zeit.

Geplanter Standort:

Katharinenruine Am Katharinenkloster

Caritas Pirckheimer

X

Caritas, als gelehrte humanistische Äbtissin hast du die aufreibende Umbruchszeit der Reformation miterlebt. Dank deiner Schreibtätigkeit besitzen wir wertvolle Nachrichten über das Leben von Frauen aus dieser Zeit. Aufgewachsen in Eichstätt, kamst du in deiner Jugend nach Nürnberg und wurdest die wissbegierige Schülerin deiner unverheirateten Großtante Katharina, die die wissenschaftliche Bibliothek ihres Vaters geerbt hatte. Du hast die Klosterschule der Klarissen besucht, wo du eine umfassende Bildung erhalten hast. Mit 16 Jahren bist du als Novizin in den Konvent des Klaraklosters eingetreten und warst ab da unter dem Namen Caritas bekannt. Trotz des Klosterlebens führtest du einen regen schriftlichen Austausch u. a. mit deinem Bruder Willibald, wodurch du Zugang zu aktuellen humanistischen und religiösen Diskussionen hattest, die du innerhalb deiner Klostermauern weitergeführt hast.

Mit 36 Jahren wurdest du von deinen Mitschwestern zur Äbtissin gewählt und zeitlebens in diesem Amt immer wieder von den anderen Nonnen darin bestätigt. Somit warst du nicht nur für die Organisation des klösterlichen Lebens und die religiöse Ausbildung von rund 60 Nonnen verantwortlich, sondern hast auch besonders im Zuge der Reformation aktiv ins tagespolitische Geschehen eingegriffen. Als nach dem Nürnberger Religionsgespräch 1525 vom Rat beschlossen wurde, dass von nun an nur der lutherische Glauben Gültigkeit haben solle, war die Schließung aller Klöster beschlossene Sache. Du aber hast mit deiner Eloquenz und deinen weitreichenden Verbindungen für den Erhalt deiner schwesterlichen Glaubensgemeinschaft gekämpft. So konnte das Kloster auch noch nach deinem Tod 1532 knapp 60 Jahre als eine Stätte gelehrter Klosterfrauen weiter bestehen.

Geplanter Standort:

Klarissenplatz

Agnes Dürer

X

Agnes, du kamst aus einer vermögenden Handwerksfamilie und hattest mütterlicherseits Verbindungen bis ins Patriziat. Dass du einmal mit dem „berühmtesten Sohn“ der Stadt verheiratet sein wirst, ließ sich bei eurer Hochzeit 1494 keineswegs absehen. Als Meisterfrau warst du stark in den Arbeitsprozess der Malerwerkstatt involviert, zumal eure Ehe kinderlos blieb. Bei der Fertigstellung eines Kunstwerkes hast du vom Auftraggeber meist ein sattes Trinkgeld erhalten, das du auch eingefordert hast, wenn es ausblieb. Immerhin machten diese Einnahmen an die 10 % des Gesamtverdienstes der Dürerwerkstatt aus.

Am Verkauf der Bilder deines Mannes warst du aktiv beteiligt, bist zur Oster- und Herbstmesse nach Frankfurt gereist und hast dort die Drucke und Kupferstiche vertrieben. Bis zur Messe nach Köln bist du gefahren, wie wir aus den Tagebüchern deines Mannes wissen. Er schreibt, wie er bei eurer gemeinsamen Reise in die Niederlande von dem dir seit langem bekannten Zöllner freudig begrüßt wurde, weil er ihn nun endlich persönlich kennenlernte. Auf diesen Messen musstest du der Kundschaft Rede und Antwort stehen, musstest die Darstellung nackter Menschen rechtfertigen und dich vor allem in den nun neu aufkommenden mythologischen Themen aus der Antike auskennen, die Albrecht zeichnete. Du warst tatsächlich an den Arbeiten deines Mannes interessiert, so hast du seine kunsttheoretischen Abhandlung ins Lateinische übersetzen lassen und abermals in Druck gegeben, wodurch ein größerer Lesekreis davon profitieren konnte.

Geplanter Standort:

Rathaus am Fünferplatz

Dorothea Landauerin

X

Dorothea, du wurdest du in eine der wohlhabendsten Kaufmannsfamilien Nürnbergs hinein geboren und von deinen Eltern mit 16 Jahren mit Wilhelm Haller verheiratet. Jedoch hatte dein Schwiegervater mit dir von Anfang an Differenzen und so bist du bereits nach zwei Jahren Ehe wieder in dein Elternhaus zurückgezogen, dein Mann ist dir kurz darauf nachgefolgt. Deine Ehe stand von Beginn an unter keinem guten Stern und dein Ehemann war ein gewalttätiger Trunkenbold der immense Schulden beim Glücksspiel angehäuft hat. Mehrfach musste ihn der städtische Rat verwarnen, bestrafte ihn sogar mit acht Tagen Turmhaft nach einer Schlägerei auf dem Rathaus. Deinem Vater war dein Gatte stets suspekt und so hast du die Hälfte seines Vermögens nur unter der Voraussetzung geerbt, das alles unter deiner Gewalt bliebe und nichts in die Hände deines Ehemannes käme.

Nach dem Tod deines Vaters bringst du vier Söhne zur Welt, aber du fristest dein Dasein in einer von Gewalt und Konflikten geprägten Ehe, in die sich auch stets der Rat einmischt. 1513 hattest du die Nase voll und hast deinen Mann verlassen. Du hast es überhaupt nicht eingesehen, weiterhin an der Seite von Wilhelm Haller zu leben und stets dessen Schulden mit deinem väterlichen Erbe zu begleichen. So bist du ohne Wissen des Rates oder deines Mannes auf dein Gut in Wolckersdorf bei Schwabach gezogen, hast du beim Bamberger Ehegericht die Scheidung eingereicht und diese dort 1517 erfolgreich erwirkt. Während dein Ex-Mann nicht über eure Scheidung hinweggekommen ist, bist du eine neue Beziehung zu deinem Scheidungsanwalt eingegangen und hast bis zu deinem Tod mit 47 Jahren ein selbstbestimmtes Leben geführt.

Geplanter Standort:

Ehekarussell, eigentlich Hans Sachs-Brunnen

Fatmeh

X

Fatmeh, du bist 1675 in Modon, dem heutigen Griechenland geboren. Als du 12 Jahre alt warst, ist deine Heimatstadt von venezianischen Truppen erobert worden, um die dortige türkische Festung einzunehmen. Dabei wurdest du gefangen genommen und nach Venedig verschleppt. Wie so viele andere Menschen deiner Zeit, die im Rahmen der sogenannten „Türkenkriege“ verschleppt wurden, begann hier deine Odyssee nach Deutschland. In Venedig wurdest du erst an einen schwedischen Konsul verkauft, der dich wiederum an den Altdorfer Dr. Johann Fabricius weiterreichte. Fatmeh, du bist eine von mindestens 500 Menschen, von denen wir wissen, dass sie zwischen dem 16. und 18. Jhd., gewaltsam nach Deutschland entführt oder verkauft wurden.

Während sich zu deiner Zeit ranghohe Soldaten gerne menschliche Trophäen vom Schlachtfeld mitnahmen, um ihre vermeintliche Tapferkeit zu beweisen, dürften bei deinem Raub andere Beweggründe eine Rolle gespielt haben. Im Barock war es Mode, seinen Reichtum durch exotische Dekoration darzustellen – dazu wurden auch Menschen aus fernen Ländern benutzt. Doch auch wenn du einer deutschen Professoren-Familie hauptsächlich zur Zierde dienen solltest, wollte sie dich trotzdem taufen lassen. Deine Taufe fand am 20. Februar 1688 mit einer feierlichen Prozession durch Altdorf statt, hochgestellte Persönlichkeiten übernahmen deine Patenschaft. Nachdem du auf deinen neuen Namen Katharina Aemylia getauft wurdest, bist du wenige Wochen später unter bisher ungeklärten Umständen im Alter von gerade 13 Jahren verstorben.

Geplanter Standort:

Heimatmuseum

Anastasius Lagrantius Rosenstengel

X

In Halle an der Saale bist du in armen Verhältnissen als Catharina Margaretha Linck aufgewachsen und hast dich, nachdem dich dein wechselvolles Leben nach Nürnberg geführt hat, außerhalb der Stadtmauer in den Fluten der Pegnitztaufen lassen. Bei der Zeremonie, für die du dir die Brüste abgebunden hast, hast du dich auf den Namen „Anastasius Lagrantius Rosenstengel“ taufen lassen. Anastasius, der Auferstandene, steht hier für die Wiedergeburt als Mann; Rosenstengel als Symbol gleichermaßen für die Vulva und das männliche Genital; Lagrantius als Kunstname.

So hast du Anfang des 18. Jhds. nicht nur mehrmals die religiöse Zugehörigkeit, sondern auch deine geschlechtliche Identität geändert. Durch das Leben als Mann standen dir völlig neue Möglichkeiten offen – so konntest du nicht nur auf Wanderschaft als gelernter Knopfmacher gehen, sondern du bist auch als Soldat in den Spanischen Erbfolgekrieg gezogen. Nur als Mann konntest du deine Liebe zu Frauen ausleben und hast 1717 Catharina Margaretha Mühlhan geheiratet. Sie allein wusste um dein biologisches Geschlecht. 1720 outete dich jedoch deine argwöhnische Schwiegermutter, indem sie dir deine Hosen herunterzog und den von dir genutzten Lederpacker (Anm. d. Red.: künstliche Penisprothese) offenbarte. Diese „Enttarnung“ zog einen Inquisitionsprozess nach sich, bei dem du der „Sodomie“, der Liebe zu einer Frau, angeklagt wurdest. Du bist für schuldig befunden worden und in Folge dessen wurdest du zum Tode verurteilt und enthauptet.

Geplanter Standort:

Pegnitzufer

Catharina Regina von Greiffenberg

X

Du wurdest im Dreißigjährigen Krieg im katholischen Niederösterreich in eine evangelische Familie des Landadels hineingeboren und durftest in der katholischen Habsburgermonarchie deine Glauben nicht praktizierenDer Schock über den Tod deiner Schwester veranlasste dich schon als 18-Jährige, dein Leben von nun an allein Gott zu weihen. Deinem Glauben hast du in deinen literarischen Werken vor allem in Form von Gedichten Ausdruck verliehen. Mit der Förderung durch deine Mutter und deinen Onkel erhieltest du eine für Frauen außerordentliche Bildung. Diese Förderung hatte jedoch ihren Preis – dein knapp 30 Jahre älterer Onkel nötigte dich ihn zu heiraten, andernfalls, so seine Drohung, würde er zum Katholizismus konvertieren.

Diese widrigen Lebensumstände hielten dich jedoch nicht davon ab, eine Vielzahl lyrischer Texte wie deine berühmten „Geistlichen Sonette, Lieder und Gedichte“ mit Unterstützung des Dichterfürsten Sigmund von Birken in Nürnberg zu veröffentlichen. Dies war dein literarischer Durchbruch. Nach dem Tod deines Mannes bist du 1679 nach Nürnberg gezogen. Nun konntest du im ehemaligen Egidienkloster einem dem Studium, dem Schreiben und dem intellektuellen Austausch gewidmeten Leben nachgehen, wie es dir immer vorschwebte. Hier in Nürnberg hattest du deine literarisch produktivsten Jahre und mit deinen raffinierten Wortspielereien und deiner charakteristischen Klangmalerei bekamst du den Ruf als wichtigste Dichterin des Barock.

Geplanter Standort:

Egidienberg

Maria Sibylla Merian

X

Maria Sibylla, du hast dich bereits im 17. Jhd. über die engen beruflichen, sozialen und künstlerischen Grenzen für Frauen deines Zeitalters hinweg gesetzt und allen Einschränkungen zum Trotz dir einen Namen als Künstlerin, Zeichenlehrerin und Naturwissenschaftlerin gemacht. Deine detailreichen Kupferstiche von heimischen und exotischen Blumen, von Schmetterlingen, Raupen und Insekten beeindrucken bis heute. Deine Naturbeobachtungen sind aus der Geschichte der Insektenforschung nicht mehr weg zu denken. Du bist nach deiner Heirat mit dem Maler Johann Andreas Graff aus deiner Geburtsstadt Frankfurt a. M. 1668 nach Nürnberg gezogen und hast hier nicht nur die Leitung eines Farbenhandels übernommen, sondern auch eine „Jungfern-Company“ gegründet und Schülerinnen um dich geschart. Du lehrtest junge Frauen wie Clara Imhoff das Zeichnen und Malen wie auch die Kupferstecherei, wozu du das „Neue Blumenbuch“ herausgegeben hast. Dein wissenschaftliches Hauptwerk kam ebenfalls in deiner Nürnberger Zeit auf den Markt: „Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung“, in der du die Metamorphose der Schmetterlinge künstlerisch wertvoll und wissenschaftlich genau in Bild und Wort nachgezeichnet hast.

Nach 14 Jahren in Nürnberg bist du wieder nach Frankfurt gezogen, wo du dich letztendlich von deinem Mann getrennt hast. Kurz darauf zog es dich mit deinen Töchtern und deiner Mutter in die Niederlande, wo du auf Schloss Walta-State mit dem Studium exotischer Schmetterlinge begonnen hast. Im Alter von 52 Jahren hast du dich mit deiner Tochter Dorothea auf die Reise in die damalige niederländische Kolonie Surinam begeben und warst dort zwei Jahre weiterhin als Forscherin tätig. 1701 kehrtest du nach Amsterdam zurück und hast 1705 dein Lebenswerk „Metamorphosis Insectorum Surinamensium“ in Amsterdam veröffentlicht. Dieses gilt bis heute als Höhepunkt europäischer Buchkunst des 18. Jahrhunderts.

Geplanter Standort:

Marienbergpark

Friederike Caroline Neuber

X

Als „Die Neuberin“ hast du dir im 18. Jahrhundert einen Namen als Reformatorin des noch volkstümlichen deutschen Theaters gemacht. Eigentlich aus Sachsen stammend, bist du nach dem Tod deiner Mutter bei deinem alleinerziehenden Vater in Zwickau aufgewachsen. Dessen gewalttätigen Ausbrüchen hast du dich mit einem Fluchtversuch als gerade mal 15-Jährige versucht zu entziehen, was dir über ein Jahr Haft einbrachte. Nach deiner Heirat hast du dich einer Schauspielertruppe angeschlossen. Noch immer war das Theater volkstümlich und derb, die Hauptrolle spielte der Harlekin, ein Hanswurst, der seine Possen riss. Doch du begannst das Theater zu reformieren. Im Dramatiker Johann Christoph Gottsched hast du einen Mitstreiter gefunden und mit deinem Mann die Neuber´sche Komödiantengesellschaft in Leipzig begründet. Hier hast du auch ein stehendes Theater aufgebaut. Endlich durften Frauen als Schauspielerinnen arbeiten und Frauenrollen übernehmen, was Jahrhundertelang Männersache war.

Du hast deinen Schauspieler*innen viel abverlangt, ihnen neue Methoden beigebracht, wie das Auswendiglernen von Versen, eine natürliche Schauspielkunst, Sprechtechnik, Kostümkunde und Körperbeherrschung. Dir selbst gefielen die sog. Hosenrollen und deine Darstellungen von Männern kamen auf der Bühne besonders gut an. Trotz aller Erfolge, die dich auch nach Nürnberg, in das heute nicht mehr vorhandene Fechthaus auf der Insel Schütt, geführt haben, musstest du die Pleite deines Hauses erleben. 1760 bist du in bitterster Armut in Laubegast nahe Dresden verstorben, wo heute ein Denkmal an dich erinnert.

Geplanter Standort:

Staatstheater Nürnberg

Amalie (Emmy) Noether

X

Emmy, als Tochter eines Mathematikers aus Erlangen wurde dir das Interesse für dein späteres Forschungsgebiet in die Wiege gelegt. Du hast eine gute Schulbildung genossen und nach deinem Abschluss hast du aufgrund des Verbots für Frauen sich zu immatrikulieren, heimlich Vorlesungen an verschiedenen Universitäten besucht. 1904 wurde dir die Immatrikulation in Erlangen erlaubt und dein Aufstieg zu einer der wichtigsten mathematischen Pionierinnen begann. Bei Paul Gordan hast du sieben Jahre studiert und anschließend als zweite deutsche Frau überhaupt 1908 deine Promotion abgelegt. Nachdem du einige Jahre unentgeltlich in Erlangen doziert hast, bist du nach Göttingen, der renommiertesten Uni für Mathematik deiner Zeit, berufen worden. Allen Hindernissen zum Trotz hast du es geschafft, hier zu habilitieren, eine Reihe von wichtigen mathematischen Theorien zu entwickeln und giltst heute als Begründerin der abstrakten Algebra.

Nachdem sich deiner reaktionären männlichen Kollegen gegen eine mögliche Berufung nach Kiel eingesetzt haben und dir aufgrund deines jüdischen Glaubens 1933 durch die Nationalsozialisten die Lehrbefugnis entzogen wurde, bist du noch im selben Jahr in die USA emigriert. Hier konntest du eine Gastprofessur am Bryn Mawr College in Pennsylvania antreten und parallel in Princeton forschen. 1935 bist du an den Komplikationen einer Operation verstorben. In nur 53 Lebensjahren war es dir trotz all den Steinen, die jüdischen Frauen zur damaligen Zeit in den Weg gelegt wurden, möglich, zu einer der bedeutendsten Mathematikerinnen aufzusteigen. Du hast sogar eine nach dir benannte mathematische Fachrichtung, die „Noethersche Schule“, begründet!

Geplanter Standort:

Willstätter-Gymnasium

Dr. Emilie Lehmus

X

Emilie, du bist in Fürth aufgewachsen und hast dank deines progressiven Elternhauses eine umfassende Schulbildung genossen. Nachdem du in Paris zur Schule gingst, kehrtest du nach Fürth zurück, um hier als Lehrerin an der höheren Töchterschule des Marienstifts zu arbeiten – die einzige Möglichkeit für eine bürgerliche Frau, berufstätig zu sein. Deine älteste Schwester hat dich in Berlin mit Henriette Hirschfeld-Tiburtius bekannt gemacht, der ersten deutschen Zahnärztin. Sie hat dich davon überzeugt, in der Schweiz Medizin zu studieren, was in Deutschland für Frauen noch gar nicht möglich war. So hast du dich als erste deutsche Frau 1870 in Zürich für Medizin eingeschrieben.

Dieses Studium hast du allen Widrigkeiten an einer von misogyner Grundstimmung geprägten Fakultät zum Trotz 1875 mit „summa cum laude“ abgeschlossen. Zusammen mit deiner ehemaligen Kommilitonin Franziska Tiburtius bist du daraufhin nach Berlin gegangen um hier 1876 die erste von Ärztinnen geführte Praxis zu eröffnen. Dort habt ihr als Pionierinnen in der von Männern dominierten Medizin tausende Patientinnen behandelt. Aus der florierenden Praxis entstand 1877 die „Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen und Kinder“, die über die Jahre bis zu einer modernen chirurgischen Klinik in Kreuzberg erweitert wurde. Um 1900 hast du dich in den Kreis deiner Schwestern nach Bayern und letztendlich nach Gräfenberg zurückgezogen. Über euer Schaffen in Berlin schrieb deine Kollegin Tiburtius: „Wir haben gut zueinander gestanden, haben voneinander gelernt, sind aneinander gewachsen und lebten in einer Art von geistigem Kommunismus. Es war ein schönes Zusammenarbeiten, eine glückliche Zeit des Aufstrebens.“

Geplanter Standort:

Knopfsche/Hallerwiese

Elise Hopf

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Du bist in Nürnberg in ein gutbürgerliches Elternhaus hineingeboren. Dein Vater Gustav Josephthal förderte jüdische Wohltätigkeitseinrichtungen und deine Mutter Jeanette war in der Frauenbewegung aktiv. So verwundert es kaum, dass du zu einer der tonangebenden Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung Nürnbergs wurdest und dir die Modernisierung und Professionalisierung der Wohlfahrtspflege ein wichtiges Anliegen waren. Zusammen mit Helene von Forster und Bertha Kipfmüller hast du 1893 den Verein „Frauenwohl“ ins Leben gerufen. Ein Jahr später warst du an der Gründung des „Bundes deutscher Frauenvereine“ beteiligt, der reichsweiten Dachorganisation der bürgerlichen Frauenbewegung.

Auch du hast dich für die Einführung des Frauenwahlrechtes eingesetzt, wodurch 1919 sechs Stadträtinnen in das Nürnberger Rathaus einziehen konnten. Du warst maßgeblich beteiligt an dem Aufbau eines ersten Wöchnerinnenheims in Nürnberg. Bis 1930 warst du Vertreterin von insgesamt 16 Vereinen und Ausschüssen und gehörtest damit zu einer der ambitioniertesten und engagiertesten Kämpferinnen innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung in Bayern. Nach der Machtübernahme der Nazis, die dich nicht nur politisch, sondern auch persönlich erschüttert hat, hast du alle deine Ämter niedergelegt. 1935 musstest du den Tod deines Sohnes Ernst erleiden, die Entlassung deines anderen Sohnes von der Universität und die Flucht deiner Tochter. Den Sieg über die Nazi-Diktatur hast du nicht mehr erlebt. Trotz deines Engagements ist dir bis heute keine öffentliche Würdigung deiner Dienste an der Gesellschaft widerfahren.

Geplanter Standort:

Nordklinikum

Else Dormitzer

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Du bist sowohl unter deinem Namen als auch unter dem Pseudonym Else Dorn bekannt. Deine literarische Karriere hast du 1914 begonnen, als du für den Fränkischen Kurier geschrieben hast. Später wurden unter deinem Pseudonym auch zahlreiche Kinderbücher veröffentlicht. Neben deiner Leidenschaft fürs Schreiben warst du auch in der jüdischen Gemeinde Nürnberg aktiv und bist 1919 als erste Frau in den Hauptvorstand des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ gewählt worden. Du und dein Mann Sigmund seid in der Reichspogromnacht in eurer Wohnung überfallen und wie so viele andere eurer Glaubensschwestern und -brüder von den Nazis tyrannisiert worden. So habt ihr euch 1939 für die Emigration in die Niederlande entschieden und wurdet auch hier Opfer der voranschreitenden Faschisierung.

Nachdem ihr 1942 in Amsterdam zuerst im Ghetto leben musstet, seid ihr 1943 nach Theresienstadt deportiert worden. Dein Mann hat die Inhaftierung nicht überlebt. Doch du Else hast dich in der Hölle des KZ-Lebens nicht brechen lassen und hier ein von Inhaftierten initiiertes Kulturprogramm mitgestaltet. Die dort entstandenen Gedichte hast du nach deiner Befreiung in der Gedichtsammlung „Theresienstädter Bilder“ veröffentlicht. Mit der Publikation hast du dein Versprechen eingelöst, das du in Theresienstadt deinen Mitgefangenen gegeben hast. Diese haben die Veröffentlichung der Gedichte nach eurer Befreiung gefordert und du bist dem Appell nachgekommen. So hast du 1945 geschrieben: „Euch, meine Schicksalsgenossen von Theresienstadt, sei dies Büchlein gewidmet!“ Nach dem Krieg bist du nach England gegangen und hast hier als Zeugin der Grauen der Sho’ah von deinen Erlebnissen öffentlich berichtet.

Geplanter Standort:

Kunstvilla

Emma Ullmann

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Emma, du hast in Schnaittach einen erfolgreichen Kurzwarenladen mit evangelischen, katholischen und auch jüdischen Devotionalien geführt, der von allen im Spaß nach dem großen Kafhaus „Woolworth“ genannt wurde. Die Anfeindungen gegen dich aufgrund deines jüdischen Glaubens begannen lange vor der Reichspogromnacht. Dir wurden die Fenster deines Hauses eingeworfen, dein Geschäft boykottiert und dir selbst nichts mehr verkauft. Den an die Macht kommenden Faschist*innen warst du als alleinstehende, erfolgreiche und jüdische Geschäftsfrau ein Dorn im Auge. Du hast den aufkeimenden Terror der Nationalsozialist*innen bereits herannahen sehen und hast aus Vorsicht in der Reichspogromnacht im Keller deines Hauses geschlafen.

Doch all das hat dich nicht davor bewahrt, von den Nazis verschleppt zu werden. In jener Nacht drangen mehrere Nazis, darunter ein ehemaliger Schulkamerad von dir, in dein Haus ein und zerrten dich nach draußen. Nur im Nachthemd bekleidet wurdest du erst auf die Polizeiwache in Schnaittach verschleppt um dann ins Gestapogefängnis von Nürnberg gebracht zu werden. Hier hast du laut Protokoll am 12. November 1938 Selbstmord durch Erhängen begangen. Doch in Schnaittach hält bis heute kaum jemand diese Geschichte für wahr. „Selbstmord hat es immer geheißen, Selbstmord. Nie! Die Emma haben sie zu Tode geprügelt.“

Geplanter Standort:

Platz der Opfer des Faschismus

Dr. Dr. Bertha Kipfmüller

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Bertha, du warst nicht nur eine glühende Frauenrechtlerin, sondern auch eine der ersten professionellen Lehrerinnen Mittelfrankens. Um das Verbot von Frauen an bayerischen Universitäten zu umgehen, hast du in Heidelberg studiert und dort 1899 promoviert. Diese Errungenschaft hast du deutlich gemacht, indem du dich als „Fräulein Doktor“ ansprechen hast lassen, denn „Jede Schneegans nennt sich in Bayern immer noch Frau Doktor, weil der Mann es ist.“ Nach deiner Promotion hast du 27 Jahre lang an der Höheren Mädchenschule am Frauentorgraben in Nürnberg unterrichtet. Trotz deiner gehobenen akademischen Stellung war deine Arbeit kein Zuckerschlecken. Als Beamtin warst du weder rechtlich abgesichert noch hast du ein einheitliches Gehalt oder gesetzlichen Rentenanspruch erhalten.

Zudem hat dich die chauvinistische Regelung, dass Lehrerinnen nicht heiraten durften, zu einem gesetzlich vorgeschriebenen Zölibat verpflichtet. Vielleicht genau aus diesen Gründen hast du dein Leben lang für die Rechte von Frauen und die Erweiterung ihrer Bildungschancen gekämpft. Die Einrichtung von Mädchengymnasien lag dir besonders am Herzen. Die Forderung danach war für deine Zeit noch so radikal, dass während einer deiner Reden 1893 dem damaligen Bürgermeister vor lauter Kopfschütteln glatt der Bürgermeisterstuhl wackelte. Nach jahrzehntelangem Kampf der Frauenbewegung konntest du nach der Novemberrevolution 1918 die Einführung des Frauenwahlrechts miterleben. Deine Gedanken dazu hast du in der Fränkischen Tagespost geschildert: „Das letzte Ziel der ‚Frauenemanzipation’ war die Gewährung des Frauenstimmrechts. Die Frau mit dem Wahlzettel in der Hand – Gottseibeiuns – noch schrecklicher wie mit dem Tintenfaß zum Kollegiensaal!“

Geplanter Standort:

Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät/Heilig-Geist-Spital

Dr. Julie Meyer

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Julie, du bist als Tochter eines Nürnberger Bankiers in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie aufgewachsen. Bei Max Weber in München hast du Soziologie studiert und bei ihm über das Nürnberger Patriziat promoviert. Du hast dich in der radikaldemokratischen Deutschen Demokratischen Partei und der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit engagiert. An der VHS Nürnberg waren Jura, Soziologie und Arbeitsrecht Themen deiner Referate. Ebenso warst du an der sozialen Frauenschule als Dozentin tätig, der Vorgängerin der renommierten sozialwissenschaftlichen Fakultät der Nürnberger Hochschule Georg Simon Ohm. Dein vielfältiges politisches Engagement in verschiedenen demokratischen Vereinigungen und deine journalistische Tätigkeit als Publizistin waren den erstarkenden faschistischen Kräften deiner Zeit ein Dorn im Auge.

In der 1933 gegründeten Beratungsstelle der „Reichsvertretung der deutschen Juden“ hast du in Nürnberg wichtige Arbeit geleistet, indem du jüdische Menschen bei Berufsverboten, über Umschulungen und Ausreisemöglichkeiten beraten hast. Hier konntest du aus dem Konzentrationslager Entlassenen helfen und du hast auch klandestin mit verschiedenen Gruppen des politischen Widerstands zusammengearbeitet. Sowohl die deutsche Reichsangehörigkeit als auch deinen Doktortitel haben dir die Nazis aberkannt. 1936 gelang dir die Emigration in die USA. Unter prekärsten Bedingungen hast du in New York gelebt und 1939 eine Anstellung als Forschungsassistentin der ebenfalls emigrierten Professorin Frieda Wunderlich angenommen. 1946 wurdest du als Assistenzprofessorin für Soziologie und Ökonomie berufen und hast bis zu deiner Emeritierung 1967 weiter in deinem Fachgebiet gewirkt.

Geplanter Standort:

Norishalle

Kunigunde Schwab

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„Kuni“, du hast dich in deiner Jugend in der sozialistischen Arbeiterjugend engagiert und bist mit 20 bist du gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten der KPD beigetreten. Bei deinen illegalen Tätigkeiten hast du viel Mut bewiesen. Durch deine Arbeit als Kontoristin warst du eine gute Maschinenschreiberin und hast diese Fertigkeiten genutzt, um nachts Reden für die Leiter der KPD zu schreiben. Alles musste konspirativ vonstattengehen: Die fertig getippten Reden hast du in einzelnen Umschlägen verpackt am frühen Morgen auf verschiedene Briefkästen in der Stadt verteilt, um keinen Verdacht zu erregen.

Als den Nazis noch unbekanntes KPD-Mitglied und als junge Frau hast du deine vermeintliche Harmlosigkeit ausgenutzt und dich auch bei der Produktion der KPD-Schriften „Blätter der sozialistischen Freiheitsaktion“ in der „Höhlendruckerei“ beteiligt. Diese befand sich in der Hersbrucker Schweiz und wurde im August 1933 von den Nazis aufgedeckt. Der folgenden Verhaftungswelle bist auch du zum Opfer gefallen. Du wurdest wegen „Beihilfe zum Hochverrat“ zu einem Jahr verschärfter Einzelhaft im Frauengefängnis Aichach verurteilt. Diese Haft hat deinen Mut und deinen Willen nicht gebrochen, dich der faschistischen Diktatur in Deutschland entgegenzustellen! Du hast weiterhin Familien inhaftierter Genoss*innen bei deiner Arbeit in der „Roten Hilfe“ unterstützt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg warst du wieder politisch aktiv, u.a. als Stadtratsmitglied der KPD-Fraktion in Nürnberg, wo du dafür gekämpft hast, dass alte Nazis nicht als Lehrer unterrichten dürften. Du warst eine der sechs Politikerinnen, die neben 174 Männern an der verfassungsgebenden Landesversammlung Bayerns teilnahmen und bist hier besonders für die Rechte von Frauen eingetreten. Als du 1994 mit dem Lina-Schneider-Preis gewürdigt wurdest, hast du in deiner Rede „ […] (die) Losung „Nie wieder Krieg“ verlangt die Mitarbeit aller, besonders aber die aller Frauen!“ gefordert.

Geplanter Standort:

Platnersberg

Lee Miller

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Lee, als Kriegsfotografin bist du nach dem Sieg über die NS-Diktatur nach Nürnberg gekommen und hast die zerstörte Stadt mit deinen prägnanten Fotografien dokumentiert. In Uniform und mit schweren Schnürstiefeln bist du durch die Trümmerlandschaft Nürnbergs gelaufen, bewaffnet mit deiner Rolleiflex. Zuvor hattest du Fotos von der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau gemacht und hast damit die unvorstellbaren Grausamkeiten in den Lagern festgehalten. Du wolltest die Verbrechen für die Nachwelt dokumentieren und hast an deine Chefredakteurin von „Vogue“ telegrafiert: "Ich flehe Sie an zu glauben, dass dies wahr ist." Was dich auch entsetzte, war, dass kein Deutscher fand, Hitler habe etwas falsch gemacht, „außer, dass er den Krieg verlor.“

Deine Haltung gegenüber den Deutschen war somit feindlich, aggressiv und unerbittlich, doch angesichts des zerbombten Nürnberg hast du fast Mitleid empfunden: „Nürnberg sieht aus, als könne kein einziger Bewohner mehr in der Stadt sein. Dies ist die erste deutsche Stadt, deren Zerstörung ich bedauere. Die Frauen klammern sich an ihre Ruinen und ihre persönliche Habe, ziehen das Leben in Luftschutzkellern der Evakuierung vor und kochen auf offenem Feuer in den Flüssen gefangene Karpfen. Von der Frauenkirche steht nur noch ein Gerippe. Es gibt nur noch ein Schild auf dem Hauptmarkt, das auf dessen Umbenennung zum Hitler-Platz hinweist.“ Erst nach deinem Tod entdeckte dein Sohn auf dem Dachboden deine Korrespondenz von 1944/45 mit deiner Chefredakteurin samt den Manuskripten und Fotografien.

Geplanter Standort:

Konrad-Adenauer-Brücke

Àgnes Rózsa

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Àgnes, du stammst aus dem ungarischen Siebenbürgen und hast in deiner Heimat als Lehrerin gearbeitet. Deinen Mann verschleppten die Nazis zur Zwangsarbeit. Du hast im Mai 1944 die bereits zweite große Deportation jüdischer Menschen von deinem Speicher aus beobachtet und bist im gleichen Monat mit 34 Jahren selbst nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Hier hast du neben vielen anderen Schrecken des Vernichtungslagers die Selektion durch Josef Mengele überlebt und bist mit über 500 anderen ungarischen Jüdinnen im Oktober 1944 nach Nürnberg zur Zwangsarbeit in den Siemens-Schuckert-Werken deportiert worden.

Fortan warst du im Nürnberger Außenlager in der Katzwanger Straße inhaftiert und hast dein Leben in Form von fiktiven Briefen an deinen Ehemann festgehalten. Dir war es möglich, in einer Werkstatt Schreibutensilien zu stehlen und den Horror des Lagerlebens festzuhalten. In diesem Tagebuch schilderst du eure katastrophalen Lebensbedingungen, die Schikanen, die Bombardements und wie die „deutschen Herrenmenschen“ versuchten, euch Jüdinnen die Menschlichkeit zu nehmen. Nach der Zerstörung der Siemens-Schuckert-Werke durch einen Luftangriff wurdest du zusammen mit deinen Mitgefangenen ins Lager Holleischen verlegt. Hier hast du das Ende des Zweiten Weltkrieges miterlebt und bist nach der Befreiung durch Partisan*innen wieder nach Siebenbürgen heimgekehrt, wo dein Tagebuch veröffentlicht wurde.

Geplanter Standort:

Humboldtstrasse Ecke Gugelstrasse

Berta Backoff

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Berta, du bist bereits in der Weimarer Republik in der Sozialistischen Arbeiterjugend gewesen und 1932 in die Sozialistische Arbeiterpartei eingetreten. In der SAP hast du nach der Machtübernahme auch klandestin mit kommunistischen Gruppen zusammengearbeitet und hast mit deinem Mann Heinrich an der verbotenen Zeitschrift „Roter Sandberg“ mitgewirkt. In eurer Wohnung in der Weddigenstraße habt ihr diese in Zusammenarbeit mit Erna Schröder, die die Manuskripte brachte, herausgegeben. Du hast die Manuskripte auf Matrize abgeschrieben, dein Mann die Artikel verfasst und anschließend hast du die Zeitung in St. Johannis verteilt.

Nachdem einer eurer Helfer, Fritz Peter, bei der Verteilung verhaftet wurde, hast du deine Beteiligung an der Zeitung eingestellt aber trotzdem weiter mit anderen Antifaschisten illegales Material verteilt. Im November ´33 hat dich die Gestapo wegen deiner Schreibmaschine verdächtigt am „Roten Sandberg“ mitgearbeitet zu haben, konnte dir das aber nicht nachweisen. Die Zeitung erschien weiter und du wurdest wie viele andere Frauen trotz fehlender Beweise verhaftet und warst ein Jahr in Aichach im Gefängnis.

Geplanter Standort:

Nelson-Mandela-Platz